Ich geniesse es nach wie vor, hier noch mehr Ruhe zu haben als sonst. Jetzt ist aber der Punkt erreicht, an dem ich endlich mehr Bewegung will, und Kopf und Augen neue Perspektiven brauchen (auch wenn es mir hier an Weitblick nicht mangelt). Hinter dem Haus komme ich zuerst nur halb den Hang hoch, fürchte, ich muss umkehren, falls ich wieder zu Atem komme. Meine Unbeweglichkeit ist gar nicht dem Lockdown zuzuschreiben. Aus Solidarität mit den Katzen und in Kapitulation vor so viel Schnee, Kälte und den damit verbundenen Mühen hatte sich der Bewegungsradius des gesamten Winters auf ein paar Runden ums Haus beschränkt. In plötzlichen Entladungen von Bewegungsdrang habe ich hin und wieder versucht, den Hang hinaufzurennen, aber dies scheiterte meist an fehlender Traktion, lang bevor das Fehlen von Kondition überhaupt zu tragen kommen konnte.

Irgendwie funktioniert das Prinzip mit Masse und Bewegung auch bergauf, und als der erste Widerstand überwunden ist, klettere ich immer weiter. Die Atmung wird ganz von selbst intensiv, die Luft schmeckt scharf und metallisch, der Kopf wird leicht undschwirrt ein wenig von der Überdosis Sauerstoff. Die Kälte brennt von aussen und von innen. Der verbleibende Schnee ist so komprimiert, ein Konzentrat von solcher Verdichtung, dass man auch bei Tauwetter gar nicht mehr einsinken kann. Jetzt ist im leichten Wind die Oberfläche so scharf gefroren, dass sie nackte Haut schneidet.

Es ist steil, einfach nur wildes Gelände, Äste und Baumstämme verstreut wie ein Halmaspiel, unter der Schneelast zu Boden gegangen. So würde ich am liebsten tagelang weiter über Waldhänge streunen, aber ich weiss ganz genau, wie ungemütlich das bald werden würde. Ausserdem kann ich mich von hier hinübermanövrieren zu den Kahlschlägen, den abgeholzten Hängen, die freie Sicht bieten. Ja, es ist ein befreiendes Gefühl. Aber vor allem ist es belebend, und ich bin endlich wieder unterwegs, in Bewegung, aktiv. Obwohl ich ja streng genommen hier nichts Produktives tue, ist mir völlig klar, dass dies mich sehr viel weiter bringt als ein ganzer Tag am Computer. Das will ich wieder öfter, immer, dauernd! Es liegt ganz bei mir.