Artgerecht Leben

Gezeiten des Nebels

Alles scheint dumpf, so träge. Es ist fast, als hätte ich die Augen immer noch nicht offen. In der Luft liegt eine Kälte wie eisiges Wasser und dringt auch hinein, in die Innenräume wie tief in den Körper, bis in die Knochen. Und es ist Wasser, kaum Luft, eine nicht fassbare Körperlichkeit, ein Kontinuum aus feinstem Wasserstaub. Es ist eine Illusion, hindurchzugehen, man geht darin auf, wird durchdrungen, irgendwann assimiliert…

Und irgendwie ist die Welt nicht da, wurde durch bereits durchdrungen, durchtränkt, aufgelöst. Manchmal existieren kaum noch die Obstbäume, die den Hof umgeben. Feste Konturen hören auf, eine materielle Realität zu sein.

Das Licht, das dann durchdringt, ist in jeder Hinsicht himmlisch. Es ist ein neues Etwas, das dem uniformen Nichts Grenzen setzt – seine Allmacht ist gebrochen. Sinne und Bewusstsein jubeln auf, sich wieder findend. Auch das Licht so körperlich, zum Greifen, warm, echt, sehnsuchtsvoll… entzaubert es doch das Nichts. Für wenige Augenblicke, und alles wird geräuschlos, fraglos zugedeckt, die Sehnsucht schmerzt, das Licht ist nicht mehr.

Das sind die harten Tage, manchmal auch ganz ohne Sonnenhoffnung, wenn unsere Welt ganz für sich und doch nicht ganz da ist, dumpf und düster. Manchmal mit diesen euphorischen Augenblicken, die zur Illusion werden, wenn die nächste Woge regelrecht die Sinne raubt. Manchmal ist der frühe Morgen strahlend, die Flut rollt heran, die Wasserdunstmassen strömen durch Kanäle zwischen den Hügeln und füllen die Lücken dazwischen aus. Unbeschreibliche Faszination, mitzuerleben, wie Formloses sich bildet, das sogenannte Reale aus der Welt zu nehmen… Und unglaublich faszinierend, wie dichter Nebel sich genau wie eine Flut aus Wassermassen verhält, sich über jeden sich bietenden Weg ausbreitet, das tiefste Niveau findet, um sich von dort aus aufzustauen.

Manchmal verbringen wir die Tage in dieser Nicht-Welt, bis ein unwirklich übertrieben rosarotes Sonnenuntergangsleuchten die Fluten tönt. Ein Blick hinauf trinkt blauen Himmel, endlich – über einem Kokon aus Dunst. Eine Durchsichtigkeit entsteht, plötzlich existieren da vertraute Formen inmitten dieser dumpfen Masse, ein Sein und Nicht-Sein zu gleichen Teilen – im selben Moment ist alles von einer so brillanten Klarheit, der warme Sonnenschein füllt allen Raum. Augenblicke so magisch, das Erleben der völligen Wandelbarkeit, das Wandeln zwischen Welten echt, braucht wenige Schritte nur.

Faszinierend die Tage, an denen wir unter strahlendem Himmel das ganze Meer überblicken, so privilegiert, in einer warmen Weite voll Sonnenschein zu leben, während die Welt da unten in den kalten Fluten erlahmt. Ein wenig Wind, ein kräftig zubeissender Frost, und über Nacht sind Magie und Trug verschwunden… Sonnenlicht für alle, unterscheidungslos. Die Welt liegt wieder da, klar, detailiert, so echt…

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