Ich liege am Hang hinter dem Haus und die Sonne brennt fast zu heiss auf den dünnen Pullover. Noch dominiert die isolierende Schicht aus verdorrtem Gras, doch sie wird von Tag zu Tag von mehr Farbe und Gekrabbel belebt, durchdrungen, durchwachsen. Während ich meine Tage fast nur draussen verbringe, lässt sich auch das Haus langsam, schrittweise, von der Sonnenwärme erobern und bietet uns abends mehr Freiraum, grosszügigen Lebensraum, der sich nun schon weit über den Strahlungsradius des Küchenherdes ausdehnt. Aber sogar abends finde ich drinnen keinen dauerhaften Platz – zu neu und verführerisch ist die milde Frühlingsluft, die nun schon eine Spur nach Sommer duftet und im Mondschein schwimmt.
Fünf Wochenist es nun her, dass ich zum letzten Mal die nähere Umgebung dieses Hauses verlassen habe und unter Menschen, in Geschäften war. Wie soll ich solche Freiheit erklären? Ich kann es nicht, ich weiss, für viele wäre es doch eine öde Gefangenschaft im Nichts. Ich aber fühle mich so privilegiert, dass ich mich manchmal der Schuldgefühle wehren muss. So viel Luxus, solcher Überschwang. Auch sonst verbringe ich so viel wie möglich Zeit hier oben, und doch gibt es immer etwas, das zwingt, verlangt, lockt, ruft, mich in die Welt zurücksaugt… doch nun soll es nur das Notwedigste sein, das ausreicht als Grund, sich hinauszuwagen. Und während der Verkehr in der Gegend kaum nachlässt, finde ich einfach keine Notwendigkeit, ist mein Grund der grünende Grund und Boden unserer in sich ruhenden Welt. Während ich noch von den üblichen Vorräten lebe – der Winter war sanft, es gibt tiefgekühltes Gemüse aus eigenem Garten, Eingemachtes und Marmelade – und von den Konsumgütern der zivilisierten Welt zehre, kann ich für diesen ewigen Moment in der Illusion schwelgen, ganz für mich zu sein, nichts zu brauchen, mir zu genügen.
Ich kann mich frei bewegen, so viel ich will, ohne Mundschutz und Abstand, denn ich treffe überall auf gesunde Natur. Kein Ausweichen, kein Abwehren, die Hände wasche ich mir, wenn zu viel Gartenerde daran haften bleibt. Frische Kräuter und Wildgemüse bereichern schon jetzt den Speiseplan. Mein Freiraum ist nur noch gewachsen, denn endlich habe ich keinen Grund, gar keinen, etwas anderes zu tun als nur mich selbst zu sein. Manchmal möchte ich es als Sport, als Challenge, sehen. Hier bleiben und nichts brauchen. Aber es ist gar nicht schwer. Im Gegenteil, es ist viel zu leicht, ganz still zu sein, um die Illusion dieses ewigen Moments nicht zu stören.