Immer noch sehr mild, wunderbares Wetter, schneefrei, eine Flut von Mondlicht… Es drängt mich richtig, abends noch einen Moment draussen zu bleiben, ein wenig um das Haus herumzustreunen, den Hang zu erklimmen und die mondbeschienene Landschaft vor sich ausgebreitet zu finden. Innehalten in stiller Erhabenheit. Ruhe. Einklang. Etwas mystisches.
Mit der stillen Erhabenheit ist es aus, schon seit einer ganzen Weile. Oberhalb am Hang steht ein renoviertes Häuschen, das von den Besitzern nur als Partyhütte genützt wird. Zum Glück immer seltener, denn es waren unangenehm laute Gesellschaften, ein irgendwie intimiedierender Einbruch in unsere Welt. Zudem brachten die Gäste manchmal mehrere, einem Freiheitsrausch verfallene und völlig unbeaufsichtigte Hunde, so dass ich wirklich Angst um die Katzen bekam. Aber gut, dies alles passierte nur an manchen Feiertagen, und immer seltener. Wenn es soweit war, zogen wir die Köpfe ein und hofften auf baldige Ruhe.
Nun sind die Besitzer aber offenbar besorgt, da das Haus über längere Zeiträume völlig verlassen ist, und haben Massnahmen gesetzt. In Form einer allnächtlichen Dauerbeschallung. Als Schutz gegen Einbrecher gedacht, täuschen solche Systeme vor, das jemand daheim ist – hier ist es wohl eher dagegen gerichtet, dass Wildtiere Schaden anrichten, oder gar einziehen, sonst kann ich mir auch keinen Grund vorstellen. Schon am frühen Abend kann ich bei mir vor dem Haus Moderation und Musik deutlich hören. Wenn ich mich einige Schritte aus dem Schutz unserer Gebäude herausbewege oder gar den Hang hinaufgehe, finde ich mich mitten in einer scheppernden, blechernen, schlechten Radiosendung wieder, anstatt in der Natur. Es schmerzt wie ein herber Verlust. Es liegt mir im Magen. Nimmt mir meine Feiheit, stiehlt mir ein Erlebnis.
Es lässt sich nicht einmal etwas dagegen sagen, dass Leute in ihrem eigenen Haus das Radio eingeschaltet haben. Unsere Abgeschiedenheit in unberührter Natur besteht ohnehin nur bis zu einem gewissen Grad – Verkehrsgeräusche aus der ganzen Umgebung, auch aus dem Tal, sind immer wahrnehmbar und sogar bei Neumond ist es nachts fast hell. Die kleinen Städte in unmittelbaren Umgebung reichen aus, um die Dunkelheit auch hier zu verdrängen. Aber diese Dauerbeschallung überschreitet eine ganz andere Grenze, eine sehr körperliche. Was für ein Terror für die Tierwelt. Gerade hier leben unzählige Vögel, offenbar mehr, als in vergleichbaren Regionen. Wie gehen sie damit um, dass die nächtliche Stille nicht mehr ist?