Mal sehen, wie viel sich jetzt schreiben lässt – ich bin ganz schön müde. Der Haussegen hängt ordentlich schief. Meine Katze kriegt Nervenzusammenbrüche, und ich bin nicht weit davon entfernt. Und das alles, weil wir das Haus mit diesem süssen, faszinierenden kleinen Wesen teilen. Anstrengend!

Der Kleine – als er sich noch nicht richtig anfassen liess, habe ich zumindest sehen können, dass es ein Junge ist – ist schon vor knapp einer Woche ins Haus gegangen. In den ersten Tagen tauchte er ja nur nachmittags auf, war in der Holzhütte und auf der Terrasse. Schon am zweiten Tag hatte er genug Hunger oder Selbstbewusstsein (schwer zu sagen, welcher Faktor überwiegt), um zu fressen, wenn ich praktisch neben ihm stand. Am dritten Tag tauchte er gleich nach dem Aufstehen auf, als meine Katze sich schön auf der Terrasse räkeln wollte. Da hat sie ihn angepfaucht und in Richtung Holzhütte gejagt, und das Thema schien erstmal erledigt. Das Wetter war strahlend schön, die Sonne fast heiss, und ich habe so viel Zeit wie möglich draussen vor der Tür verbracht. Wobei der Kleine immer näher an mir vorbei tappte, tänzelte, wieselte. Aber nur, wenn ich nicht hinsah. Wenn ich die Hand in seine Richtung ausstreckte, war ich sogar ausgesprochen gefährlich. Aber er war da und um mich herum. Und begann, über die grossen Stufen zu klettern und zur Haustür rein und raus zu gehen.

Ich war froh, das zu sehen. Das Wetter war ja absolut ungewöhnlich, im Sommer hatten wir ganze Wochen, die deutlich kühler waren. Und wenn der Wetterumschwung kam, wie könnte ich dieses Kindchen draussen lassen? Vielleicht würde er das sogar selbst bevorzugen, aber dann müsste er drinnen fressen – ein so kleines Katzenkind darf schon gar kein halb gefrorenes Futter zu sich nehmen. Diese Sorge wurde mir sehr schnell genommen. Ich hatte mir wieder einmal unnötig Gedanken gemacht. Am nächsten Tag, wieder konnte ich zu Hause sein und bei offenen Türen das Wetter geniessen, fand ich ihn dösend im Haus. Dabei hatte er sich nicht einfach einen Platz gesucht, nein, er hat gleich alle guten Plätzchen ausprobiert: mit untrüglichem Katzengespür genoss er die Sonne mitten am Schreibtisch, wie meine Katze es auch so gerne tut, die Aussicht vom Deckchen auf Fensterbank, unseren grossen, weichen Wintersessel in der Küche, die Patchworkdecke auf der Couch im Wohnzimmer… Jedesmal, wenn ich reinkam, fand ich ihn woanders. Er nahm gleich alles in Besitz. Ein echter kleiner Eroberer. Auch nicht so toll… denn die Dame des Hauses hat er nicht gefragt.

Meine Katze hatte den Kleinen inzwischen schon ein paar mal auf den Stufen und vor dem Haus getroffen, heftig gefaucht und alle Sirenen angeworfen. Sie fand dieses unberechenbare Miniaturexemplar richtig unheimlich. Mit der Zeit wuchs ihr Frust deutlich, da die Reaktion dieses Zwerges gleich Null war. Es war ihm völlig egal. Nicht so toll, wenn man seinen Standpunkt sehr deutlich mitteilt, die Botschaft aber vollkommen ignoriert wird. Allerdings hatte sie nun draussen ihre Ruhe, wenn der Kleine im Haus war. Am ersten Vormittag, an dem sich die Dinge so gestalteten, war das sogar richtig entspannend: ich habe draussen gefrühstückt, die beiden ‘Grossen’ waren dabei und wir liessen uns von der Sonne wärmen. Keine plötzlichen Ablenkungen und Überraschungen. Der Kater nahm es überhaupt recht gelassen – er sah zwar nicht gerade erfreut aus, wenn das Kind ihm über den Weg lief, machte aber vorsichtshalber einen kleinen Bogen und kümmerte sich nicht weiter. Und dabei hatte ich gehofft, er würde ihn unter seine Fittiche nehmen und ihn in die so bedeutenden Dinge eines Katzenlebens einweihen!

Und schon am nächsten Tag ist es soweit: der Kleine ist im Haus und bleibt im Haus. Wenn meine Katze reinkommt, faucht sie schon mal präventiv in alle Richtungen. Sie ist ziemlich gereizt und nimmt sich kaum die Zeit, etwas zu essen. Plötzlich ist alles suspekt, ja, sogar bedrohlich. Auch mir gegenüber ist sie ziemlich ungehalten – ich kann es verstehen. Offenbar kann ich nicht richtig auf unser Zuhause aufpassen. Entspannt und gemütlich ist es auf jeden Fall nicht mehr, findet sie. Vor allem ist es ihr Haus, und plötzlich ist überall, wo man hingeht, dieses kleine, begriffstuzige Fellknäuel. Und es bleibt. Schon mal versucht, ein Kätzchen, das sich nicht anfassen lässt, gegen seinen Willen in eine bestimmte Richtung zu lenken? Aussichtslos. Ich könnte ihn natürlich grob verscheuchen, aber mit dem Risiko, dass er richtig schlimm Angst bekommt. Irgendwann will ich schlafen gehen. Ich sehe es als notwendigen Probelauf. Ist es möglich, den Kleinen im Haus zu haben? Kommt er damit zurecht? Kommen wir damit zurecht? Eine wichtige Frage ist schon beantwortet: als er gerade mal angefangen hat, ein und aus zu gehen, hat er auch schon beide Katzenklos benutzt.

Meine Katze liegt auf meinen Beinen. Ich kann ihre Anspannung spüren. Ohren und Blick zur Tür, auf jedes Geräusch reagierend. Den Kleinen habe ich zuletzt zusammengerollt im Arbeitszimmer gesehen. Es dauert etwas, aber dann lehnt sie sich an mich und legt sich schlafen. Irgendwann in der noch kaum erahnbaren Morgendämmerung wache ich auf. Ich spüre wieder die Anspannung meiner Katze. In der offenen Schlafzimmertür sitzt dieses kleine Etwas und spielt vertieft und völlig unbeirrbar mit den Perlmuttplättchen, die als Vorhang dienen. Obwohl ich merke, dass meine Katze richtig angespannt und gereizt ist, versuche ich weiter zu schlafen. Es klimpert und klimpert. Auf jeden Fall sind wir früh auf, und die entnervte Hausherrin will nur raus. Sie versucht schon mal, die Tür aufzubrechen, bis ich bei ihr bin, um aufzumachen. Keine Zeit für Frühstück, nicht unter diesen Umständen! Auch keine Zeit für mich. Der Kleine will überhaupt nicht raus. Meine Katze nimmt später noch mehrmals Anlauf, um reinzukommen und zu essen. Sie rennt jeweils nur laut fauchend und jaulend eine Runde und verschwindet auf dem schnellsten Weg wieder. Ich kriege es langsam mit der Angst, dass sie zumindest heute gar nicht mehr heimkommen will.

Als ich sie zu Sonnenuntergang rufe, ist sie da. Ich bin so erleichtert. Aber ihre Enttäuschung ist riesig. Statt der üblichen Begrüssung, dem Futter, dem einen oder anderen Leckerli nur Stress. Nichts ist in Ordnung. Nichts ist so, wie es sein sollte. Das, was sie gefressen hat, erbricht sie wieder. Sie will wieder raus, ich lasse sie nicht. Sie ist frustriert und kann sich nicht Ruhe schlafen legen – wie könnte sie schlafen? Ich lasse den Kleinen in der Küche, in der Hoffnung, dass sie ein wenig Ruhe findet, wieder etwas Vertrauen in ihr Zuhause zurückgewinnen kann.

So geht es nun seit Tagen, wir suchen und finden Kompromisse, so gut es eben geht. Meine Katze kommt heim, das ist das Wichtigste. Und nachts, bei mir am Bett, kann sie ruhig schlafen. Das Katzenkind muss in der Küche bleiben. Dort hat er es warm. Die äusseren Umstände haben sich nämlich ziemlich verschärft. Der Wetterumschwung hat und ereilt, und alle anderen Zimmer sind schon richtig ungemütlich kalt. Aus diesem Grund ist es mir auch unmöglich, unseren Eindringling vor die Tür zu setzen. Vor ein paar Tagen habe ich noch in kurzer Hose in der Sonne gesessen, nun sitze ich zwischendurch in eine Decke gewickelt im Wohnzimmer und versuche, noch etwas von der Beziehung zu meiner Katze aufrecht zu halten, oder ihr zumindest Gesellschaft zu leisten. Nicht einmal draussen hat sie es schön – alles ist nass und kalt. Heute früh lag Schnee im Gras. Aber seit der Kleine nur noch in der Küche ist, kann sie sich wieder etwas freier bewegen. Sie kann hier im Wohnzimmer in Ruhe fressen. Wir kriegen das irgendwie hin. Hoffentlich. Für mich ist es im Moment ein Full-Time Job.

Ich suche einen Platz für den Kleinen. Mit Hilfe von allen Freunden und Bekannten und allem, was mir sonst noch einfällt. Ich will mit meiner Katze unser gemütliches Zuhause geniessen. Auch wenn der Kleine jeden Tag süsser und unterhaltsamer wird (ein Wienkorken ist viel besser als eine Walnuss, aber mit beidem kann man stundenlang durch die Küche fetzen). Das ist wohl wie: gibt man eine richtig gute, auf echtem Vertrauen basierende Partnerschaft für eine neue Zufallsbekanntschaft auf? Nö.

Bilder und Fortsetzung folgen – je nachdem, wie wir hier in unserem Chaos zurechtkommen 😉

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