Ich muss seit einiger Zeit alleine schlafen. Meine Katze findet keine Zeit mehr dazu, mir Gesellschaft zu leisten oder nachts überhaupt einmal auszuruhen. Letztens bin ich aufgewacht und befürchtete, sie im Abstellraum ein- oder auf den Balkon ausgesperrt zu haben, weil nichts von ihr zu hören, zu sehen oder zu spüren war. Nach einer Runde durch das Haus entdeckte ich sie schlafend im Arbeitszimmer. Nun habe ich das Glück, eine Katze zu haben, die gerne und genüsslich mit mir ausschläft, sobald ich mich rühre, pendelt sie aber schon erwartungsvoll zwischen Bett und der nächstbesten Tür zur Aussenwelt. In letzter Zeit – nichts. Sie ist irgenwo aus Erschöpfung eingeschlafen und braucht noch ein Weilchen. Wenn ich selbst nachts herumgeistere, stolpere ich über sie, sie kauert am Boden und starrt in angestrengter Konzentration Dielen, Wände, oder Möbelstücke an. Manchmal höre ich ein gedämpftes Rascheln, einen ebenso gedämpften, aber deutlichen Angriff, ein Quietschen, Fiepen und Piepsen, und Versuche meiner Katze, Möbel zu verrücken.

Wir haben eine Mäuseplage. Angefangen hat es mit einer toten Maus als Morgengabe, ordentlich vor dem Bett, neben dem Handy bereitgelegt. Seitdem säumen an manchen Tagen sogar mehrere Exemplare, Trophäen der nächtlichen Jagd, meinen Weg vom Schlafzimmer in Richtung Küche. Als wir hier eingezogen sind, trieb eine Maus in der Küche und der traditionellen bäuerlichen Vorratskammer, der Speis, ihr unwesen. Meine Vorgängerin hatte mich gewarnt. Eine zeitlang habe ich wirklich alles Essbare sehr sorgsam in gut schliessenden Schränken und Behältern aufbewahrt, zugleich die vereinzelt herumstehenden Mäusefallen weggeräumt und mich darauf verlassen, das allein die Anwesenheit meines Raubtieres das Problem schon lösen würde. Mit der Zeit wurde ich nachlässiger, liess wieder Kekse, Bananen oder Brot offen herumliegen, und es gab keine weiteren Zwischenfälle oder Schäden. Nur interessante Stunden für meine Mitbewohnerin, wenn sie doch hin und wieder irgendwo eine Maus unter den Bodendielen hörte und roch. Oder sich bei Schlechtwetter Arbeit nach Hause mitbrachte – eine erbeutete Maus, im Haus losgelassen und hinter die Möbel geschlüpft, kann den Tag retten.

Heute ist Ausnahmezustand: wieder wache ich alleine auf, weit und breit keine Katze. Allerdings finde ich sie nicht schlafend, sondern in angestrengter Anspannung vor dem Schrank im Flur. Streicheleinheiten sind sehr willkommen, und doch, entspannen kann sie sich nicht. Als hätte sie ein schlechtes Gewissen, ihren Pflichten nicht nachzukommen, wandert der Blick immer wieder zum aktuellen Mäuseversteck, muss sie sich halb aufrichten und lauschen, und schnell bringt sie sich wieder in Lauerstellung. Ich öffne, wie gewohnt, gleich die Türen; dies ist meine wichtigste Aufgabe, denn als allererstes geht es raus. Auch in den vergangenen Tagen weckte ein leiser Luftstrom sie sofort, und sie begann ihre üblichen Unternehmungen in freier Wildbahn. Heute nicht. Die Arbeit geht vor. Es dauert eine ganze Weile, bis sie dann doch in die Küche kommt. Aber statt sich ihrem Frühstück zu widmen, muss sie sofort die Speis inspizieren. Und als sie dann doch zu essen beginnt, ist hinter dem Schränkchen Mäusealarm. Sofort in Position und nicht bewegen. Aber das lässt sich nicht durchhalten, denn da ist ein Geräusch im Stiegenhaus… oder doch das Schränkchen? Nein, doch wieder die Treppe hinauf. Nach einer Weile hockt sie in der offenen Küchentür und versucht, gleichzeitig den Raum hinter ihr und das Stiegenhaus im Auge und im Ohr zu haben.

Und dann wäre da noch der Sammelkorb. In der Küche steht ein kleiner Weidekorb, in dem verschiedene Spielzeuge bereitliegen. Nun eignet sich dieser Korb aber noch für ganz andere Dinge: einmal hat sie eine lebendige Maus mitgebracht und sie hineingelegt. Die Maus hat angefangen, entlang des Geflechts im Kreis zu rennen, meine Katze hat sie immer wieder mit der Pfote angefeuert. Das war ein tolles Spiel. Allerdings habe ich sehr bald den Korb genommen und so die Maus wieder hinaus in die Freiheit transportiert. Das war sehr enttäuschend. Also deponiert sie nur noch tote Mäuse im Korb. Oh ja, da waren schon mehrere zugleich. Ich tue gut daran, diesen Korb im Auge zu behalten, denn mit der Zeit werden tote Mäuse, nun ja, komisch… und etwas unangenehm.

Erst am Nachmittag geht sie doch noch hinaus. Wenn es heiss ist, verbringt sie mit Sicherheit einige Stunden schlafend oder dösend an einem schattigen Platz, auch wenn ich nicht so genau weiss, wo. Hier gibt es ja zum Glück genug Möglichkeiten. Aber jetzt geht es ihr mit Sicherheit um ein ruhiges Plätzchen, wo es nicht so viel Ablenkung und Arbeit gibt. Wo sie endlich einmal entspannen kann.