Artgerecht Leben

Dealer meines Vertrauens

Bei grundlegenden, ja lebenswichtigen Dingen ist es wichtig zu wissen, was man bekommt. Diese Erfahrung habe ich (nicht zum ersten Mal) gerade in Sachen Brennholz gemacht. Ja, man braucht soviel Meter, ungefähr von dem und dem Holz, und auch die Grösse der Scheite ist anzugeben. Und das Ganze trocken, ofenfertig, und geliefert. Das sind schon eine ganze Menge Kriterien. Was man dann tatsächlich bekommt, ist allerdings die Frage.

Ich hatte hier das Glück, mein Brennholz von Anfang an von einem richtigen Original zu bekommen, Holzverarbeiter mit Leib und Seele und, zurecht, stolz auf seine Qualität und Genauigkeit. Nun hatte ich aber von Anfang an ein schlechtes Gewissen, ihm die Anfahrt hier herauf zuzumuten. Mit knapp achtzig Jahren ein riesiges Gespann rückwärts unseren Feldweg heraufzumanövrieren ist anstrengend. Sehr anstrengend. Und nachdem ich im Winter einen Krankenwagen bei seinem Haus gesehen hatte, im Frühjahr erleichtert war, ihn im Vorbeifahren zu sehen, aber ihn dann kaum noch, wie früher, dort neben der Strasse bei der Arbeit gesehen habe, hielt ich es für angebracht, ihn zu schonen und mich nach neuen Möglichkeiten umzusehen. Dazu habe ich die Telefonnummer zu einer entsprechenden Anzeige in der Lokalzeitung angerufen und, in mehreren Anläufen, alles vereinbart. Vor allem die Lieferung war für mich ein Thema: mit Traktor und Anhänger kann man hier nicht umdrehen. Das heisst, wenn man ganz normal, vorwärts, hier hereinfährt, kann man das Holz auch nicht abkippen etc. Er hätte einen Geländewagen mit einem kleineren Alu-Anhänger und müsste dann zweimal fahren. Kein Problem. Man kann den Anhänger leeren, ihn dann händisch aus dem Weg manövrieren und das Auto umdrehen. Dafür ist nicht sehr viel Platz, aber es ist durchaus machbar. Gut. Ein Termin wurde vereinbart, er würde erst nach neun Uhr kommen. Prima.

Am betreffenden Tag wurden vor halb Acht praktisch die Türen eingerissen, und dadurch wurde ich geweckt. Wenn ich morgens aus dem Schlaf gerissen werde, bin ich nicht unbedingt bei Bewusstsein. Aber ich musste wohl raus. Dort sind drei sehr unwirsche und unfreundliche männliche Gestalten dabei, zu beraten, wie sie Auto und Anhänger wieder von hier wegbekommen. Ich bin nicht gerade vorzeigbar und ernte natürlich, wie hierzulande üblich, kalte Verachtung dafür, am Wochenende zu dieser Stunde zu schlafen. Ich beschwere mich, dass die Lieferung viel früher da ist als vereinbart, aber das zählt nicht. Hier ist es normal, zu früh zu kommen. Irgendwie stelle ich fest, wer der tatsächliche Holzlieferant ist und beginne ihm zu erklären, wie er abladen und dann umdrehen soll, unter den demonstrativ abschätzigen Blicken der anderen. Die Diskussion ist auch nicht wirklich fruchtbar, der Holzhändler ist extrem nervös und dieser, in den Bergen doch recht normalen, Aufgabe offenbar nicht gewachsen. Nach einigem unfreundlichen und recht uneinsichtigem hin und her scheint ihm nun mein Vorschlag doch als einzige Möglichkeit einzuleuchten. Er hört dabei nicht auf, sich über den Weg und den geräumigen, flachen Parkplatz zu beschweren, was mich zu der Bemerkung provoziert, er wäre wohl nicht viel im Wald unterwegs. Oh, das war der ganz falsche Ansatz: seine Forstwege wären Autobahnen, ja, richtige Autobahnen, im Vergleich zu dem hier. Auf jeden Fall waren diese Drei genau die Gesellschaft, von der man aus dem Schlaf gerissen werden möchte… Endlich wird mit viel hin und her das Holz abgekippt. Es stellt sich heraus, das er die beiden anderen extra mitgebracht hat, um den Anhänger umzudrehen. Oh Mann, ich hab schon durchaus geschicktere Zeitgenossen gesehen. Irgendwie schaffen sie es, der Platz ist wirklich vollkommen ausreichend. Im Grunde ist es genau die Lösung, die ich mir gewünscht hatte, nur können sie leider alle zusammen nicht damit umgehen. Ich zahle, er möchte morgen die zweite Fuhre bringen. Na gut. Endlich. Gott sei Dank bin ich die erstmal los.

Und habe im Halbschlaf und bei all der Feindseligkeit einen riesigen Fehler gemacht: ich habe kaum einen Blick auf das Holz geworfen. Oh Scheisse. Ich hatte zwar in meinem dämmerigen Zustand halb und halb bemerkt, dass der Haufen recht chaotisch aussah, war aber schon vollauf damit beschäftigt, mich mit diesen unmöglichen Mannsbildern auseinander zu setzen. Das hier ist katastrophal. Abgesehen vom Hühnerdreck, den Federn und dem Gestank, scheint der Grossteil aus völlig unförmigem, und auch noch frischem, Fichtenholz zu bestehen. Nicht sehr beliebt als Brennholz. Ein gewisser Anteil ist völlig okay, aber man kann das Haus damit nicht wirklich warmhalten. Und dies ist so frisch und harzig, dass es noch eine Weile trocknen sollte… Das Buchenholz ist uralt und schimmlig. Das Schlimmste ist aber die Unregelmässigkeit: die Scheite variieren zwischen zehn und achtzig Zentimeter. Kurz geht ja noch, das ist nur blöd zu handhaben, aber länger als vierzig geht nun mal nicht in den Ofen. aus dem Grund sind dreiunddreissig Zentimeter, wie ich bestellt hatte, auch Standardmass. Ein Meter, übliches Lagermass, in drei Teile geschnitten. Dies ist völlig beliebig zerstückelt. Und das sind nur die Längen. Manche Teile sind so massiv und unförmig wie ein grösserer Felsbrocken – nicht einmal auf einem Scheiterhaufen könnte man damit was anfangen. Um mich abzureagieren und einen besseren Überblick zu bekommen, lade ich den Schubkarren immer wieder voll und versuche, dieses unregelmässige Zeug in die Holzhütte zu räumen. Meine Hoffnungen waren umsonst – auch weiter unten im Holzstoss wird es nicht besser. Ausserdem fürchte ich, jeden Moment auf ein zerquetschtes Huhn zu stossen.

Inzwischen bin ich so wütend und frustriert, dass ich anrufe und ihm sage, dass die Scheite unmöglich sind und die Qualität auch zu wünschen übrig lässt. Nach einer Viertelstunde gegenseitiges Anschreien lege ich wieder auf – er liefert natürlich nur das beste Holz, es hat nie Beschwerden gegeben, ich bilde mir nur ein, dass die Länge nicht ganz genau stimmt, es sind ganz sicher keine grösseren Scheite dabei, und ausserdem würde ich nie jemanden finden, der mir Holz liefert, denn der Weg wäre ja völlig unzumutbar. Und wenn ich alles selbst zu ihm zurückbringe, ist er bereit, es zurückzunehmen. Ich hatte mir auch nicht viel davon erwartet, aber ich habe ihn zumindest angeschrien. In diesem Fall war das einfach notwendig. Ein Teil der Holzhütte ist nun immer noch blockiert mit Riesenbrocken, die sich in keinster Weise sägen oder spalten lassen. Dafür habe ich eine Menge Geld bezahlt. Wenigstens bin ich diesen Idioten endgültig los. Und durch die diversen Beigaben ist dieses Holz umso interessanter für die Katzen… Ich lasse mir Zeit und mache mich noch nicht auf die Suche nach neuen Quellen. Er hat bestimmt Kollegen alarmiert, dass da irgendeindeine aggressive Schlampe, die man erst aus dem Bett holen muss, Holz an einen völlig unerreichbaren und gefährlichem Ort geliefert haben will.

Als ich letztens wieder am Arbeits- und Lagerplatz meines Stammlieferanten vorbeifuhr, sass er draussen auf der Bank. Ich bin sofort abgebogen, wurde freudig begrüsst und habe, wiederum sehr vorsichtig, gefragt, ob er denn noch arbeiten und auch liefern würde. Diese Frage war natürlich völlig überflüssig. Warum sollte er denn nicht? Natürlich würde er mir Holz bringen. Ich war wahnsinnig erleichtert. Ausserdem mag ich den Mann einfach, wir verstehen uns gut, obwohl er so taub ist, dass wir uns nur fallweise unterhalten können – ein paar Sätze lang läuft alles super, und das nächste Wort kann man ihm nicht einmal mit Hilfe von Händen und Füssen nahebringen. Aber wie gesagt, wir verstehen uns, und auf ihn ist Verlass. Je nach Wetter, würde er Donnerstag oder Freitag, nach neun Uhr, kommen. Für Donnerstag wird Regen angekündigt. Er kommt nicht, das Wetter wird immer schöner. Bis am Nachmittag sein ‘Mopedauto’, so ein Modell, das man ohne PKW-Führerschein im Schneckentempo fahren darf, auftaucht. Er wollte nur Bescheid sagen, dass er morgen kommt. Am nächsten Morgen jedoch verbirgt dicker, zäher Nebel alle Konturen. Ein verirrter, undurchdringlicher Novembernebel. Ich warte, lausche und spähe. Schliesslich meine ich etwas zu hören und zu sehen, aber in dieser Suppe lässt sich kaum etwas ausmachen. Ich habe ein noch viel schlechteres Gewissen, dass ich ihn, mit seinem Riesentraktor und Riesenanhänger, hierherfahren lasse. Ich leide mit, kann immer noch kaum etwas erkennen, als der Transport unglaublich langsam, genau gesteuert, und doch praktisch im Blinflug schon sehr nah kommt. Achtzig oder nicht, er kann es halt. Und ausserdem findet er es auch noch selbstverständlich. Wir setzen uns erst einmal mit einem Kaffe auf die Bank. Und unterhalten uns irgendwie, lückenhaft, aber gut. Er schafft es sogar, die wesentlich grössere Menge Holz so abzukippen, dass sie kaum Platz braucht. In der Kabine seines Monstergefährts wirkt er winzig, und doch genau am richtigen Platz. Wehmütig blicke ich ihm nach. Hoffentlich sehe ich ihn wieder. Ich müsste mir sonst nicht nur Sorgen um die folgenden Winter machen, er würde mir auch fehlen.

Inzwischen ist das Holz in der Hütte, alles perfekt, sauber und ordentlich stapelbar. Die Qualität ist, wie gewohnt, super. Somit weiss ich auch, dass wir mit diesem Holz den Winter überstehen können. Und das ist durchaus wichtig.

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