Richtige Wintertage sind bei mir nicht sehr beliebt. Weil das Leben hier einfach wesentlich weniger rund und angenehm läuft. Das Haus ist kalt, draussen ist es kalt, die Stiefel, Jacken, Handschuhe, Hauben, die man die ganze Zeit an- und ausziehen muss und dabei wieder Schnee abschüttelt und Schnee in die Socken und in den Kragen bekommt. Ich muss mir genau überlegen, welchen Termine ich überhaupt einhalten kann, wann einkaufen nötig ist und wann nicht (meistens nicht), wie ich einfach alles reduzieren kann. Es ist auch nicht uneingeschränkt angenehm, drinnen zu sitzen und zu arbeiten, denn das macht eher anfällig für Kälte. Und ich muss sowieso dauernd aufstehen und Holz nachlegen.
In dieser Weise mit den Jahreszeiten zu leben – sofern unsere Jahreszeiten sich noch als solche äussern – bringt auch mit sich, dass es im Winter Tage gibt, die einfach nur dem Winter gehören. Dem Reduzieren, Zurückziehen und Abwarten. Es ist verschneit, und es ist kalt und trüb. Ich muss in den nächsten Tagen nirgendwo hin und habe nicht vor, etwas zu unternehmen. Ich kann es einfach akzeptieren. Den Winter erleben. So wie es im Frühjahr, im Sommer Tage gibt, die einem fast keine andere Wahl lassen, als in vollen Zügen die Natur zu geniessen und alles andere zu vergessen.
Das Aufstehen ist gar nicht so schwer, die Wärme im Körper hält noch etwas an. Natürlich heize ich sofort den Herd ein, um dann erstmal mit meiner Katze die Welt da draussen zu erkunden, während der Kater bei der Türe hereinstürzt und sich in die Küche setzt. Kleinigkeiten sind zu erledigen, Frühstück findet für uns alle in belieber Reihenfolge zwischendurch statt, und ich habe schliesslich Lust, noch etwas draussen zu sein, beschäftige mich weiter mit Schneeräumen, Holz holen, Schneeräumen. Lege meinem Auto vorsorglich die Schneeketten an, denn so bald wird diese weisse Masse nicht verschwunden sein. Kümmere mich drinnen um das Herdfeuer, schnippsele Gemüse, stelle Essen auf… für jetzt und auch für später. Kümmere mich um das Geschirr und die Vorräte im Kellerraum des Katers, während er am gemütlichen Stuhl in der Küche liegt und so tut, als wäre er nicht da. Er beobachtet und belauscht mich ganz genau, aber sobald ich in seine Richtung sehe, schliesst er fest die Augen und ist im Tarnmodus – er befürchtet immer noch, dass er eigentlich nicht hier sein darf. Eine Weile später siedele ich ihn tatsächlich um, aber nur nach oben ins Zimmer, auf seinen weichen Platz auf dem Sofa. Denn meine Katze findet es ausnahmsweise nicht so toll draussen und möchte mir Gesellschaft leisten. Seine Anwesenheit stört dabei deutlich. Und laut unserer ungeschriebenen und natürlich gewachsenen Hausordnung schläft der Kater oben, wenn er da ist. Ich beschäftige mich mit Heizen, Essen, Vogelfutter, Katzenfutter und Katze. Als es schliesslich der Küche und mir warm genug ist, wasche ich mich selbst auch wieder hier in der Küche beim Herd, mit vom Feuer erhitzten Wasser.
Ich spüre die Ruhe, die Richtigkeit. Warum ein schlechtes Gewissen haben, dass es ‘wichtigere’ Dinge zu tun gäbe? Es ist Luxus, die ganz freien Tage auch mal so zu nehmen, wie sie fallen. Was ist menschlicher und natürlicher, als sich einfach nur um die Verpflegung und die Benötigungen dieser Tage zu kümmern, für sich selbst und die (zumindest räumlich) Nahestehenden zu sorgen? Für mich, die Katzen, eine ganze Menge Vögel da draussen und eine oder mehrere Streunerkatzen, für die ich im Winter Futter bereitstelle. Einen Weg zu finden, wirklich damit klar zu kommen, dass man nicht für alles und jeden einen warmen Platz und einen vollen Bauch bieten kann. Eine Fliege, die wahrscheinlich mit dem Brennholz hereingekommen ist, findet zu neuem Leben und neuen Höhenflügen, um dann ein abruptes Ende auf der heissen Herdplatte zu nehmen. Aus der Perspektive des Beobachters eine Tragödie wie jede andere. Draussen ruft ein Kauz. Die gefrorene Schneelandschaft birgt ein inneres Licht. Hier im Haus schlafen zwei Katzen. Das Essen ist warm.