Artgerecht Leben

Langsames Erwachen

Baden im warmen Sonnenschein. Immer wieder für einige Minuten. Das Aprilwetter ist schon letzte Woche eingetroffen; alles war dabei. Tage mit heftigen Graupelschauern, wie Styroporkügelchen, nur wesentlich härter. Warme Sonne abwechselnd mit Wolken und eisigem Wind. Und seit ein paar Tagen auch ganz heftige Regenfälle. Dies ist der Regen, der innerhalb von Tagen alles grün machen und in einen wahren Frühlingsdschungel verwandeln kann, aber wir müssen noch etwas abwarten. Die Gräser spriessen schon, aber im Ganzen sieht alles noch ziemlich bräunlich-gelblich verdorrt aus. Gestern abend habe ich mich wieder eine ganze Weile mit dem Kater in den Windfang gesetzt, um etwas Schutz vor dem Regen und den Windböen zu finden. Er gibt meist acht, nicht richtig nass zu werden, aber ein bisschen abtrocknen ist dann doch nötig. Und schon wieder unter die Jacke und Pfoten wärmen. Am liebsten hätte er bei mir am Schoss geschlafen. Bei solchem Wetter ist auch das Bett im Keller immer noch gefragt. Und zwischendurch: der strömende Regen verwandelt sich wieder in eine fast durchgehende weisse Wand… Ein paar Stunden später: ein glänzendes, stilles Panorama im klaren Mondlicht.

Die Windböen sind kalt. Sie kommen von Schneebedeckten, frostigen Berggipfeln. Alles rumpelt und scheppert. Die Fenster habe ich im vergangenen Jahr abgedichtet (ja, es gibt ihn noch, den Glaserkitt auf Leinölbasis), aber es gibt an diesem Haus genug zu rütteln. In der ersten Nacht, die meine Katze und ich hier verbrachten, gab es richtigen Sturm. Ich hatte mit allen möglichen Geräuschen gerechnet, aber meine Katze war etwas beunruhigt, ob dieses neue Heim nicht doch etwas zu abenteuerlich sein würde… Und es kann ziemlich rund gehen bei einem halb offenen Dachboden und verschiedensten Ritzen, Toren und Türchen. Ein grosses Getöse. Inzwischen sind wir daran gewöhnt, und vor allem die scheppernden Fensterscheiben wurden nachgebessert. Manchmal hört es sich doch noch an, als würde sich jemand gewaltsam Zutritt verschaffen, und jeder normale Mensch könnte in Versuchung kommen, erstmal die Polizei zu rufen… Bei richtigem Wind haben wir ein gemütliches Geisterhaus.

Nun wieder wohltuende Sonnenwärme. Das alte Holz speichert sie schon. Eigentlich sollte ich das ganze Haus durchlüften, aber die Temperaturschwankungen sind zu gross. Meine Katze sucht sich gerade die frischesten Gräser zum Kauen – es war ein harter Winter, das Verdauungsgras ist rar geworden, auch wenn ich es tatsächlich in Blumentöpfen kultiviere. Ich habe schon die erste Brennesselsuppe verspeist, allerdings mit völlig tauben Fingern; man kann Brennessel ganz gut so anfassen, dass man nichts davon abbekommt, im Moment aber sind sie noch so winzig und so sehr im verdorrten Gestrüpp versteckt, dass dies ganz eindeutig nicht klappt.

Langsam beginnt das Erwachen: an den Hängen kriechen die Grillen ganz still aus ihren Löchern und lassen den Sonnenschein Erinnerungen an das Leben zurückbringen. Die Katzen sind überzeugt, dass sich in der Dunkelheit am Dachboden die Siebenschläfer dem Tiefschlaf entringen. Ich muss regelmässig Wildbienen aus meiner Tasse retten, in der sich leider kein Nektar befindet. Den Kater musste ich schon von zwei Zecken befreien – Zeit für Gegenmassnahmen. Die Vögel können sich nicht mehr so ganz entscheiden, ob sie Futter holen oder lieber einander nachjagen sollen. Die Amseln singen bei beginnender Dämmerung und jubeln dem Regen zu.

Die Osterfeuer in der Umgebung hatten gestern ganz eindeutig keine Chance gegen den Sturzregen – den Rauchsäulen nach zu urteilen, werden nun neue Versuche unternommen. Ein Ausräuchern des Winters.

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